Kurzinformation

Wie ist Nabelschau entstanden?

Ursprünglich war die Idee eine ganz andere. Ich hatte mir fest in den Kopf gesetzt, einen FemWalk in Halle zu verwirklichen. Ähnlich einer themenbezogenen Stadt-Tour wollte ich eine Tour erarbeiten, die an Straßennamen, benannt nach Frauen, vorbeiführt. Denn noch immer werden Stadtbilder, beispielsweise durch Denkmäler oder eben Straßenschilder, männlich dominiert. Ich stellte das Projekt also in unserem Kurs und vor Vertretern des MDR vor und erhielt den Stempel: zu konventionell.

Der Femwalk in Halle bleibt vorerst eine Idee

“Ich mache es trotzdem, für mich.”, dachte ich mir. Aber in mir stellte sich eine Blockade ein. Ich verglich mein Projekt zunehmend mit den anderen, “cooleren” Projekten meiner Kommiliton:innen und fiel in ein Inspirationsloch. Also noch einmal Brainstormen, was mir wichtig ist und worüber ich journalistisch recherchieren will. Immerhin habe ich rund drei Monate mit Nabelschau verbracht und verbringe immer noch viel Zeit damit, was bedeutet, dass mir das Projekt auch Spaß machen sollte. 

Mein Prozess wurde stets von meinen Freund:innen und meiner Familie begleitet, die mein Ideentief miterlebten und mich mit Gesprächen zu diesem Thema neu inspirierten. Eine wortwörtliche Schnapsidee, mit einem sehr guten Freund von mir, brachte schließlich frischen Wind in meinen Kopf. Geboren war Vulvagreen. Es sollte um Gebärstreik im Zuge des Klimawandels gehen, auch bekannt unter #birthstrike.

Vulvagreen, das DJ-Team. Vulvagreen bekommt daher eine andere Verwendung

Mit der neuen Idee im Kopf sprach ich schließlich erneut mit meiner Dozentin und wir redeten viel über die Gedanken, die sich Menschen um ihren Kinderwunsch machen und dem Fakt, dass viele meiner Freund:innen bereits jetzt klar und deutlich sagen, dass sie keine Kinder wollen. Das verleitete meine Dozentin folglich dazu, mich aufzufordern, mein Thema etwas weiter zu fassen und zu denken. Und herauskam die alles entscheidende Frage: Warum bekommen Menschen eigentlich Kinder? Eine gute Freundin meinte einmal im Gespräch zu mir, das Kinderkriegen egoistisch sei und Kinder nur der eigenen Reproduktion dienen. Ich konnte den Ansatz verstehen, wollte aber mehr darüber wissen. Schließlich ging es auch um meinen Nabel. Sollte ich nur ein Mittel zum Zweck sein, damit meine Eltern einen Teil von sich in der Welt haben? Sind wir alle nur geboren worden, um der Rente willen oder damit unsere Eltern im Alter nicht alleine sind? Und müssen wir jetzt auch Familien gründen, damit wir diese Umstände für uns selbst ebenfalls erträglicher machen? Das alles waren und sind Fragen, die mir während des Projekts immer wieder durch den Kopf sprudelten. Aber Vulvagreen war das nicht mehr und geboren war Nabelschau – ein Nabel und die Welt. 

Wie Yin und Yang tragen wir jeweils weibliche als auch männliche Energien in uns. Nabelschau ist ein toleranter Ort, der jede Meinung ernsthaft diskutieren will, um letztlich zu sich selbst zu finden.

Was ist Nabelschau?

Nabelschau ist ein multimediales Web-Dossier mit verschiedenen Perspektiven rund um die Kinderfrage. Anhand von einer Buchrezension, einem Kommentar und diversen Interviews versucht Nabelschau das Drumherum, um die Kinderfrage zu verdeutlichen. Oft hängt an der Frage, warum wir Kinder bekommen, nämlich weitaus mehr dran, als wir zunächst vermuten würden. Seid also gespannt, was andere “Nabel” in ihren Interviews zu sagen haben.

Mit wem hat sich Nabelschau unterhalten?

  • Kai (Personalberater und Blogger)
  • Robin (Student)
  • Sarah (Texterin)
  • Sophia* (Studentin)
  • Prof. Dr. Oliver Arránz Becker (Soziologe, Universität Halle)
  • Prof. Dr. Ulrike Busch (Sexualwissenschaftlerin, Hochschule Merseburg)
  • Dr. Stefan Riedener (Philosoph, Universität Zürich)

Welches Fazit hält die Ausstellung für Besucher:innen bereit?

Noch nie waren wir so frei in der Kinderfrage, wie heute. Folglich birgt dies auch Erwartungen an uns selbst und an die Umwelt beziehungsweise die Gesellschaft. Es gibt demnach das Für und das Wider bezüglich der Kinderfrage, aber für was wir uns letztlich entscheiden werden oder entschieden haben, liegt zunehmend bei uns. Dementsprechend kann ein Perspektivwechsel manchmal sehr bereichernd sein und genau den präsentiert Nabelschau. Weg vom eigenen Nabel, hin zu vielen verschiedenen. Ich für meinen Teil habe viel über den Kinderwunsch und potenzielle Elternschaft gelernt. Die Frage warum die Menschen Kinder bekommen, kennt viele Antworten und jede ist sehr individuell. Folglich verdient jede Entscheidung ihren persönlichen Respekt. Aber ich habe auch erkennen müssen, dass insbesondere zur Zeit der Klimakrise das Maß an Verantwortung gegenüber dem eigenen Kinderwunsch wächst. Folglich müssen wir uns bewusst werden, dass Kinder haben eben nicht nur unsere eigene kleine soziale Einheit, die Familie, betrifft, sondern auch die Gesellschaft. Natürlich ist Angst immer ein schlechter Ratgeber, aber etwas Skepsis und Selbstreflexion hat auch noch niemandem geschadet. Kinder sollten in jedem Fall nie ein Gefühl kompensieren, was einem selbst gerade fehlt und sie sollten auch nicht auf die Welt kommen, um Renten zu bezahlen. Hier ist die Politik gefragt ein neues, zeitgemäßes System zu entwickeln, in dem Kinderlosigkeit oder Abtreibung eben keine Tabus mehr sind oder einer Rechtfertigung bedürfen. Dass Adenauer mit seinem Spruch „Kinder bekommen die Leute immer“ falsch lag, bestätigt nur, dass Irren menschlich ist und ökonomische Entwicklungen einen großen Einfluss auf unsere Lebensstile haben. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass jeder und jede sein künftiges Handeln nicht nur auf sich oder das nähere Umfeld bezieht, sondern weiter, größer denkt. Denn was heute noch für selbstverständlich gehalten wird, kann morgen schon nicht mehr da sein. Und damit beziehe ich mich nicht nur auf die Natur, sondern auch auf die Beziehungen zu den Menschen, die uns etwas bedeuten.